Betrachten wir nun also das Energieeigenwertproblem für die Potentiale
der oben beschriebenen Art. Zur Vereinfachung führen wir die folgenden
Variablen ein:
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(9) |
Dann können wir (4) in der Form
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(10) |
schreiben. Wir wollen nun die Form der Wellenfunktion für
herausfinden.
Für
lautet die zeitunabhängige
Schrödingergleichung (10) aufgrund der Annahmen über
das asymptotische Verhalten des Potentials (2)
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(11) |
Diese lineare Differentialgleichung besitzt zwei linear unabhängige
Lösungen
, so daß die allgemeine
Lösung eine Superposition dieser beiden Lösungen sein muß:
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(12) |
Wir müssen nun noch genauer über die möglichen Energieeigenwerte
nachdenken. Falls nämlich
, so ist für
in jedem Falle ein ungebundener Zustand,
d.h. liegt im kontinuierlichen Spektrum, und es gibt keine
weiteren Einschränkungen an vom asymptotischen Verhalten im
Unendlichen, und dann sind allgemeine und in
(12) erlaubt. Falls aber
, so ist genauer
zu schreiben, und damit die
Wellenfunktion für
nicht exponentiell (bzw. für
linear) anwächst, muß notwendig sein, d.h. wir
haben genauer
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(13) |
Für
ergibt sich
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(14) |
und wir können exakt analoge Überlegungen wie eben anstellen. Es
ergibt sich dann schließlich
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(15) |
Nun können wir die verschiedenen möglichen Fälle für im
Hinblick auf das Verhalten der Wellenfunktionen analysieren
-
: Dies entspricht gemäß (13) und
(15) mit Sicherheit gebundenen Zuständen, d.h. die
Wellenfunktion fällt für
exponentiell
ab, d.h.
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(16) |
Wir werden weiter unten noch zeigen, daß diesen notwendig
diskrete Energieeigenwerte
entsprechen. Daß
es sich um gebundene Zustände handeln muß, wird auch physikalisch
verständlich, wenn man sich das analoge klassische Problem vor Augen
führt: Wenn ist, kann das Teilchen weder nach
noch nach
laufen, da sonst der
Energiesatz verletzt würde, denn die potentielle Energie
ist notwendig positiv und das Potential nach Annahme asympotisch
gleich 0 bzw. . Damit also gebundene Zustände überhaupt
möglich werden, muß das Potential irgendwo negativ werden, also eine
Art ,,Potentialmulde``bilden (vgl. Abb. 1). Unsere
eben gefundenen asymptotischen Lösungen zeigen aber, daß eine von 0
verschiedene Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens außerhalb des
klassisch erlaubten Bereiches gibt! Dieses Phänomen ist klassisch nicht
erklärbar und wird als Tunnel- oder Gamov-Effekt
bezeichnet.
-
: Gemäß (13) und
(15) kann sich das Teilchen nach
hin quasi-frei bewegen, nicht aber nach
. Es
sind alle
in diesem Bereich erlaubt, so daß
in diesem Falle zum kontinuierlichen Bereich der Energieeigenwerte
gehört. Da für
nur genau eine, nämlich die
exponentiell fallende Lösung erlaubt ist, gibt es zu jedem Wert für
genau eine Energieeigenfunktion, d.h. dieser Teil der
Energieeigenwerte ist nicht entartet. Auch hier haben wir
wieder einen Tunneleffekt. Der Bereich
ist wie
oben erläutert für das Teilchen verboten, aber die
quantenmechanische Aufenthaltswahrscheinlichkeit ist dort nicht 0.
-
: Gemäß (13) und (15)
ist das Teilchen bzgl. der Bewegung nach beiden Richtungen
ungebunden. Die entsprechenden
Energieeigenwerte sind also alle erlaubt und gehören somit zum
kontinuierlichen Teil der Eigenwerte. In beiden Regionen sind
allgemeine Superpositionen aus zwei Lösungen erlaubt, d.h. in diesem
Bereich sind die Eigenwerte zweifach entartet. Auch das ist an dem
klassischen Analogon verständlich: Das Teilchen kann in diesem Fall
bei vorgegebener Energie in beiden asymptotischen Regionen sowohl nach
rechts (entsprechend den Wellenfunktionen mit Koeffzienten )
bzw. links (entsprechend den Wellenfunktionen mit Koeffizienten
laufen.
Abbildung:
Potential und qualitatives Energieeigenwertspektrum zum
zugehörigen Schrödingerschen Energieeigenwertproblem.
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Hendrik van Hees
2019-11-08