Ein dynamisches System ist definiert durch n Zustandsvariablen
zu einer Zeit t
Diese Variablen beschreiben in eindeutiger Weise den Zustand des
Systems im Phasenraum (Menge aller Punkte
),
wenn z.B. das zugrunde liegende System von Differentialgleichungen 1. Ordnung
die Lipschitzbedingungen erfüllt. Man nennt ein solches System
determiniert: Existiert ein Zustand
, so propagiert
er in eindeutiger Weise in einen Zustand
mit
.
D.h. es existiert eine eindeutige Abbildung
im Phasenraum, welche die Punkte
und
verknüpft
Man nennt
den Zeitentwicklungsoperator des Systems.
Beispiele für deterministische Systeme sind:
(a)
Differentialgleichungen:
(a.1)
Getriebene Systeme:
mit
dem Geschwindigkeitsfeld des Systems, das von
den Zustandsvariablen
und explizit von der Zeit t
abhängt. Darüberhinaus wird das System durch eine Anzahl
Kontrollparameter
gesteuert. Ein konkretes Beispiel ist das
getriebene mathematische Pendel
(a.2)
Autonome (selbstregulierende) Systeme:
Das Geschwindigkeitsfeld ist nicht explizit zeitabhängig. Ein
Beispiel für ein autonomes System ist das
Lorenz Modell
mit
und
.
(b)
Diskrete Abbildungen - Differenzengleichungen:
Differenzengleichungen verküpfen diskrete Zustände eines Systems im
Phasenraum. Ein in den Maple Programmen diskutiertes Beispiel ist die
logistischen Abbildung
Numerische Beispiele haben wir in Form von Poincare Schnitten,
wie z.B. der
stroboskopischen Abbildung
beim getriebenen Pendel oder dem
Lorenz Plot
kennen gelernt.
Etwas konkreter formuliert gilt für ein autonomes System
die folgende Aussage: Ist
Lipschitz stetig, so ist
eine eindeutige Funktion der Anfangsbedingung
und der Kontrollparameter
. D.h.
beschreibt eine schnittfreie Trajektorie im Phasenraum: das System
ist eindeutig und für alle Zeiten determiniert. Autonome Systeme
sind darüber hinaus invariant unter Zeittranslationen
(),
da das Geschwindigkeitsfeld nicht explizit zeitabhängig ist.
Als nächsten Schritt betrachten wir ein Phasenraumvolumen
von Anfangsbedingungen
und stellen die Frage: Wie ändert sich das Phasenraumvolumen in der
Zeitentwicklung?
Zeitliche Propagation einer Schar anfänglich benachbarter
Lösungen im Phasenraum
Da jeder Phasenraumpunkt eindeutig durch den Zeitentwicklungsoperator
bestimmt ist, kann man den Zusammenhang zwischen den Phasenraumvolumina
zu verschiedenen Zeiten als einparametrige (Zeit) Koordinatentransformation
im Phasenraum auffassen (Transformation des Volumenelementes)
mit der Jacobi (Funktional) Determinante
Um einen Eindruck von der zeitlichen Entwicklung des Phasenraumvolumens
zu erhalten, muss man die Zeitentwicklung der Funktionaldeterminante
untersuchen. Dazu berechnet man die totale Zeitableitung mit Hilfe
der Produktregel
Für jeden einzelnen Term gilt nach der Kettenregel
Insgesamt erhält man also
Liouvilles Theorem:
Gilt für ein System
so ist das Phasenraumvolumen eines Lösungsensembles
zu verschiedenen Anfangsbedingungen eine Erhaltungsgröße. Solche
Systeme nennt man konservativ.
(i)
Bezeichnet man mit
die Dichte eines Phasenraumensembles,
so gilt der folgende Erhaltungssatz (Kontinuitätsgleichung)
allgemein
Ist das Geschwindigkeitsfeld des Systems divergenzfrei, d.h.
,
so gilt
In diesem Fall ist die Dichte konstant: man bezeichnet das Ensemble
von Phasenraumtrajektorien als inkompressibel. Konservative
Systeme sind also durch die Kompressibilitätsbedingung
definiert.
(ii)
Ein Hamilton'sches System ist bestimmt durch seine Hamiltonfunktion
und die kanonischen Bewegungsgleichungen
mit Phasenraumtrajektorien
.
Das Geschwindigkeitsfeld eines Hamilton' schen Systems ist
und es gilt
D.h. Hamiltonsysteme sind konservativ und somit Ensembles von
Hamiltonsystemen ( mikrokanonische Ensembles) inkompressibel,
also
.
Hieraus folgt ein wichtiges Problem der statistischen Mechanik: das Gibbs'sche Paradoxon.
Die Entropie eines Systems
muss nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik zunehmen. Das steht im Widerspruch zur Volumenerhaltung
eines mikrokanonischen Ensembles. Wie man trotzdem ein statistisches
Gleichgewicht für volumenerhaltende Systeme erhält wird
später angedeutet.
(iii)
Die Tatsache, dass für konservative Systeme das Phasenraumvolumen
erhalten ist bedeutet nicht, dass die Form des Volumens nicht
zeitlich veränderlich ist. Dies ist eine wichtige Eigenschaft
konservativer chaotischer Systeme.
(iv)
Systeme, die nicht konservativ aber beschränkt sind heißen
dissipativ. Sie sind durch Senken im Geschwindigkeitsfeld
charakterisiert (Reibungskräfte). Ein Beispiel
hierfür ist das mathematische Pendel mit Reibung
Da die Lösung eines determinierten Systems zu jeder Zeit eindeutig bestimmt ist,
kann man die Verknüpfung zwischen je zwei Punkten einer Phasenraumtrajektorie
als eine einparametrige Koordinatentransformation auffassen: den
Zeitentwicklungsoperator. Für einen eindimensionalen Zustandsraum
erhält man
Für ein lineares System mit konstanten Koeffizienten
kann man den Zeitentwicklungsoperator analytisch angeben:
Die formale Erweiterung auf Systeme mit n Zustandsvariablen ergibt