2.1.1 Lösung der Bewegungsgleichung

Wir haben gesehen, dass die Gravitationskraft in Erdnähe nahezu konstant ist , so dass alle Massenpunkte die gleiche Beschleunigung in Richtung zum Mittelpunkt der Erde erfahren. Wir werden in Kapitel 6 sehen, dass diese Aussage kleiner Korrekturen bedarf, weil insbesondere durch die Rotation der Erde der Globus elliptisch verformt ist. Diese Korrekturen sind gering, so dass wir für den Moment annehmen können, dass die reibungsfreie Bewegung aller Massen in Erdnähe durch die Wirkung einer konstanten Kraft hervorgerufen wird.

In diesem Fall lässt sich die Bewegungsgleichung direkt integrieren. Da die Beschleunigung konstant ist gilt

mit der Anfangsgeschwindigkeit das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz

Das Weg-Zeit-Gesetz erhält man bei nochmaliger Integration über die Zeit nach dem gleichen Schema

Bemerkungen

(i)
Jede Integration ergibt eine Integrationskonstante. D.h. ist somit eine Lösungsschar, abhängig von und . Diese Lösungsschar stellt zunächst die mathematisch allgemeine Lösung der Bewegungsgleichung (oder allgemeiner einer Differentialgleichung 2. Ordnung) dar.
(ii)
Jede spezielle physikalische Situation erfordert die Festlegung der Integrationskonstanten durch die Anfangsbedingungen der Bewegung.
Beispiele
Die Beispiele werden zeigen, dass wir mit der selben allgemeinen Lösung ganz unterschiedliche Bewegungsformen im erdnahen Gravitationsfeld beschreiben können.

B2.1 Freier Fall ohne Reibung

Abbildung 2.1: Stroboskopansicht für den freien Fall


Abbildung 2.1 zeigt Stroboskopaufnahmen eines Massenpunktes, der aus der Höhe und aus der Ruhe unter dem Einfluss der Gravitation reibungsfrei zu Boden fällt. In gleichen Zeiteinheiten (Stroboskopintervallen) legt der Massenpunkt immer größere Strecken zurück. Aus (2.1), (2.2) erhalten wir für die speziellen Anfangsbedingungen

   
   

Daraus lassen sich z. B. die Auftreffzeit

   
   

und die Auftreffgeschwindigkeit

   
     

berechnen.

B2.2 Waagrechter Wurf ohne Reibung

Abbildung 2.2: Waagrechter Wurf


Warum ist das offensichtlich zweidimensionale Wurfproblem eigentlich doch nur eindimensional ? Im ersten Schritt der eingangs erwähnten ''Analyse-Rezeptur'' wählen wir ein Inertialsystem, das sich mit der Geschwindigkeit relativ zu bewegt und betrachten relativ zu diesem bewegten Bezugssystem das Wurfproblem: der Massenpunkt bewegt sich offenbar entlang der neuen -Achse in freien Fall.
Abbildung 2.3: Der waagrechte Wurf in erscheint als freier Fall.


D. h. wir können den waagrechten Wurf durch eine geschickte Wahl des Bezugssystems auf den freien Fall zurückführen. Mathematisch ist der Zusammenhang zwischen und

   
   

In beobachtet man einen freien Fall

   
   

und in den waagrechten Wurf


Kontrollfrage:

Eine Gewehrkugel wird aus der Höhe waagrecht abgeschossen. Gleichzeitig lässt man ein schweres Bleigewicht aus derselben Höhe frei fallen. Beide Objekte bewegen sich reibungsfrei. Welches Objekt berührt zuerst den Boden ?
A)die Gewehrkugel
B)das Bleigewicht
C)beide Objekte berühren gleichzeitig den Boden
D)weiß nicht .

B2.3 Schiefe Ebene

Abbildung 2.4: Gleitende Bewegung entlang einer schiefen Ebene.

Eine Masse rutscht reibungsfrei entlang einer schiefen Ebene. Entsprechend unserem ''Rezept'' suchen wir zunächst nach der Kraft, die diese Bewegung verursacht. Die Kraftkomponente der Schwerkraft senkrecht zur Ebene wird von den Materialkräften innerhalb der Ebene kompensiert. (Man nennt solche Kräfte Zwangskräfte. Sie sorgen dafür, dass der Massenpunkt die Ebene nicht verlassen kann, tragen aber nicht zur Bewegung bei.) Es bleibt die Kraftkomponente parallel zur Ebene (Hangabtriebskraft), die die Masse aus der Ruhe bewegt. Ferner erscheint uns die Bewegung eindimensional wenn wir sie im Bezugssystem betrachten. Somit erhält man aus (2.2) für die Bewegung in

   
   

Der Zusammenhang zwischen und ist (für )

   
   

Damit erhält man für die Bewegung in
Als Extremfälle betrachten wir

   
0    



U. Lechner, H.J. Lüdde