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Ballentine, Quantum Mechanics

Leslie, E. Ballentine
Quantum Mechanics, A Modern Development
World Scientific
2nd edition, 1998

Inhalt

Das Buch beginnt mit einem Überblick über die mathematischen Grundlagen der Hilbertraum- und Wahrscheinlichkeitstheorie. Ein besonderes Schmankerl des Autors ist Behandlung der Erweiterung des Hilbertraums zum ,,Rigged Hilbert Space''. Dazu unten mehr.

Es folgt eine Behandlung der Formulierung der Quantentheorie sowie die Konstruktion der zur Galilei-Newtonschen Raumzeit gehörigen Observablenalgebra aus den Symmetrieprinzipien (Chpts 2+3). Sodann wird die Ortsdarstellung behandelt, die Schrödingergleichung für einfache Beispiele gelöst und last but not least das Pfadintegral eingeführt. Dann betrachtet Ballentine die Impulsdarstellung, den harmonischen Oszillator und den Drehimpuls (Chpts 4-7).

Sodann kehrt der Autor zu grundlegenderen Fragen zurück. Es werden Zustandspräparation und -festlegung behandelt. Anschließend wird das Meßproblem analysiert, wobei sich der Autor klar für eine probabilistische Interpretation entscheidet. Es gibt insbesondere keine ,,reduction of wave packets''. (Cpts. 8-9).

In den nächsten Kapiteln werden gebundene Zustände, die ßeitunabhängige Störungstheorieünd Variationsverfahren behandelt (Chpt. 10). Dann ist ein Kapitel geladenen Teilchen im Magnetfeld einschließlich einer Betrachtung des Aharonov-Bohm-Effekts gewidmet (Chpt. 11). Daran anschließend werden zeitabhängige Probleme, diskrete Symmetrien, der klassische Limes, Phasenraumverteilungen (Wignerdarstellung), Streutheorie, identische Teilchen besprochen (Chpts. 12-18).

Das Buch schließt mit einer Einführung in die Quantisierung des elektromagnetischen Feldes und einer Besprechung von EPR, Bell-Theorem etc. Es folgen noch einige Anhänge, die mit Schurs Lemma, der Irreduzibilität der Heisenbergalgebra, dem Beweis des Wick-Theorems und Lösungen zu ausgesuchten Problemen, das Buch abrunden.

Kritik

Um meinen (zugegebenermaßen noch oberflächlichen Eindruck) zusammenzufassen: Ich bin begeistert! Hier hat sich (endlich nach 75 Jahren) einmal jemand Gedanken gemacht, wie man Quantentheorie modern vermittelt! Es fehlen all die ärgerlichen historischen Kardinalsünden: Man findet in der Fundierung weder das Bohrsche Atommodell noch ,,Wellenmechanik'', ja noch nicht einmal die leidige kanonische Quantisierung. Es wird vielmehr, wie es sich für ein modernes Lehrbuch gehört, über Symmetrieprinzipien quantisiert. Besonders hübsch fand ich, daß auch die Möglichkeit eines Vektorpotentials allein aus Symmetrieüberlegungen hergeleitet werden kann (ich muß mein eigenes Skript nochmal angucken, ich habe da wohl etwas übersehen!).

Das Buch liefert auch noch mehr Schmankerl, wie ,,some unusual bound states'', wo Potentiale mit echten Energieeigenzuständen mit Eigenwerten im Kontinuum betrachtet werden und dgl. mehr.

Über die Interpretation der QT läßt sich ja immer noch trefflich streiten, und ich bin von meinem ersten Überblick her noch nicht überzeugt, ob mich die probabilistische Interpretation und die Behandlung des Meßprozesses wirklich begeistert. Offenbar fehlt eine Betrachtung offener Quantensysteme und Decoherence vollständig (schade, aber das Buch ist andererseits ausführlich und dick genug). Er ist aber durchaus fair (für meinen Geschmack ein bißchen zu fair ;-)) gegenüber Alternativinterpretationen wie der Bohmschen Mechanik.

Besonders hervorgehoben sei auch noch die sehr konzise Behandlung des ,,klassischen Grenzfalls''. Die Quantentheorie geht nach einem geeigneten ,,coarse graining through measurement''-Prozeß in die klassische Theorie über.

Der einzige Wermutstropfen ist die Behandlung des elektromagnetischen Feldes, die nichtkovariant erfolgt. Das wird jedoch vom Autor in der Einleitung zu Chpt. 19 auch begründet. Allein seine Ignoranz der Wilson(-Kadanoffschen) Interpretation der Renormierungstheorie (die im wesentlichen in einem Zitat Diracs kulminiert), ist höchst ärgerlich, muß aber wohl auf die offenbar irgendwo im quantenoptischen Gebiet gelegenen Arbeitsgebiet (weiß jemand, woran Ballentine konkret forscht?) des Autors zurückgeführt werden, so daß dieser Lapsus verzeihlich ist.

Alles in allem stellt das Buch eine in sich logisch geschlossene Darstellung der Quantentheorie mit einer für die Einführungsvorlesung an einer deutschen Universität hinreichenden Anzahl konkreter Beispiele und Übungsaufgaben (auch gelöster!) dar und kann uneingeschränkt für Studenten (und den die Vorlesung vorbereitenden Dozenten :-)) empfohlen werden.

Es ist sicherlich verglichen dem unten rezensierten Buch von Schwabl ein Steilkurs, aber man muß ja nicht immer den Trivialisierungsversuchen der deutschen Bildungspolitik Vorschub leisten!




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