Integrabilität

Ein klassisches System ist vollständig charakterisiert durch die Kenntnis seiner Hamiltonfunktion

Gleichung1

bezüglich einer Wahl von generalisierten Koordinaten und konjugierten Impulsen. Die kanonischen Bewegungsgleichungen

Gleichung2

erlauben zu jeder Zeit, den Zustand des Systems im Phasenraum zu bestimmen. Das Phasenraumvolumen eines Ensembles von Lösungen zu verschiedenen Anfangsbedingungen ist erhalten, da das Geschwindigkeitsfeld eines konservativen Systems

Gleichung3

frei von Quellen und Senken ist: entsprechend sind Lyapunov Exponenten regulärer Lösungen Null.
Die Wahl der generalisierten Koordinaten eines konservativen Systems ist i.a. nicht eindeutig. Nehmen wir an, wir finden einen Satz generalisierter Koordinaten und Impulse (), so dass die Hamiltonfunktion eine Konstante der Bewegung (Gesamtenergie) und zyklisch in allen Koordinaten ist

Gleichung4

so lassen sich die Hamilton'schen Bewegungsgleichungen trivial integrieren

Gleichung5

Ein System mit N Freiheitsgraden, für das N zyklische Koordinaten gefunden werden heißt (vollständig) integrabel.
Der Zusammenhang zwischen () und () ist durch eine kanonische Transformation definiert

Gleichung6

die so beschaffen ist, dass eine Funktion existiert, für welche die kanonischen Bewegungsgleichungen gelten

Gleichung7

und unterscheiden sich dabei maximal um die Zeitableitung einer Funktion


Gleichung7

die als erzeugende Funktion der Transformation bezeichnet wird (z.B. H. Goldstein, Klassische Mechanik, Kapitel 8.1): kennt man , so ist die kanonische Transformation ebenfalls bekannt.
Wie findet man einen Satz von Koordinaten, in denen alle zyklisch sind? Dazu betrachtet man eine Funktion , die nicht explizit zeitabhängig sein soll und berechnet deren Poissonklammer mit der Hamiltonfunktion des Systems (unter Ausnutzung der Hamilton'schen Bewegungsgleichungen)

Gleichung8

Offenbar ist

Gleichung9

wenn mit vertauscht, d.h.

Gleichung10

In diesem Fall ist eine Konstante der Bewegung (Invariante), d.h. ist konstant entlang einer Trajektorie des Systems.
Gibt es N unabhängige Konstanten der Bewegung mit der Eigenschaft

Gleichung11

so findet man neue generalisierte Impulse der Form

Gleichung12

welche ebenfalls Konstanten der Bewegung sind. Ist dies der Fall müssen die zugehörigen generalisierten Koordinaten zyklisch sein, d.h. die Hamilton Funktion hängt in den neuen Koordinaten nur noch von den generalisierten Impulsen ab

Gleichung13

Somit ist die Integration wie eingangs des Kapitels gezeigt vollständig, da


Gleichung14

Ein System mit N Freiheitsgraden ist also dann integrabel, wenn man N Invarianten findet, für die gilt

Gleichung15

Das System ist durch N unabhängige Frequenzen bestimmt. Fasst man als Winkelvariable im Phasenraum auf, so liegt jede Trajektorie eines integrablen, konservativen Systems auf einem Torus der Dimension N.

Die Phasenraumtrajektorie eines Systems mit zwei Freiheitsgraden liegt auf der Oberfläche eines Torus der Dimension zwei


Im Falle N=2 erhält man periodische Lösungen für rationale Frequenzverhältnisse und quasiperiodische Trajektorien für irrationale Quotienten. Quasiperiodische Lösungen liegen beliebig dicht auf der Torus Oberfläche. In beiden Fällen ist der Lyapunov Exponent null: benachbarte Anfangsbedingungen führen zu benachbarten Trajektorien zu allen Zeiten.
Der Poincare Schnitt einer konservativen Bewegung für N=2 ist z.B. die in Abschnitt 2.3 diskutierte lineare Kreis Abbildung.

Gleichung16



: die Phasenraum Trajektorie ist periodisch; nur diskrete Werte von sind in der Poincare Abbildung erreichbar. : die Phasenraum Trajektorie ist quasiperiodisch; die erreichbaren Werte liegen beliebig dicht.




2001-03-05