Sukzessive Hopf Bifurkationen

Wir haben gesehen, wie eine Hopf Bifurkation für einen kritischen Kontrollparameterwert den Übergang von einem Punktattraktor zu einem Grezzyklus beschreibt. Dies hat zwei wichtige Folgerungen für die Lösungstopologie:

NRT Pfad NRT Pfad NRT Pfad NRT Pfad
Newhouse, Ruelle, Takens Weg zum Chaos: ein Punktattraktor zerfällt über eine Hopf Bifurkation in einen Grezzyklus mit einer charakteristischen Frequenz. Eine weitere Hopf Bifurkation führt zu einer quasiperiodischen Bewegung auf einem Torus (zwei charakteristische Frequenzen). Ein Torus zerfällt in der Regel direkt in einen seltsamen Attraktor.

Dieses Auftreten einer charakteristischen Frequenz für das Langzeitverhalten einer Lösung führte schließlich zu dem Vorschlag von Newhouse, Ruelle und Takens (S. Newhouse, D. Ruelle und F. Takens, Comm. Math. Phys. 64, 35 (1978)): Übergang von regulären zu chaotischen Lösungen durch sukzessive Hopf Bifurkationen. Durch jede Hopf Bifurkation wird der Attraktor gleichsam 'geschwächt' und somit die Bewegung komplizierter. Ein Ausdruck der Komplexität der Bewegung ist die Zahl der charakteristischen Frequenzen und die Dimension des Attraktors. Den Zerfall eines Torus in einen seltsamen Attraktor möchte ich am Beispiel einer Kreis Abbildung (circle map) erläutern. Dabei handelt es sich um die folgende Differenzengleichung

Gleichung1

Ein Spezialfall ist die 'sine circle map'

Gleichung2

die für K=0 in die lineare Kreis Abbildung (CM) übergeht. Die CM beschreibt ganz allgemein den Poincare Schnitt einer Bewegung auf einem Torus: sie ist also charakterisiert durch zwei Frequenzen

Torus Poincare Schnitt einer Trajektorie auf einem Torus

Für die lineare CM

Gleichung3

erhält man als Lösung ( bestimmt die Anfangsbedingung)

Gleichung4

Die entsprechende Trajektorie auf dem Torus ist dann periodisch, wenn gilt

Gleichung5



cmap1 cmap2
Lineare CM: periodische Lösung für Lineare CM: quasiperiodische Lösung für

d.h. rational ist. Offenbar entspricht gerade dem Verhältnis der für die Torustrajektorien charakteristischen Frequenzen. Ist irrational, schließt sich die Trajektorie nicht: man nennt eine solche Bewegung quasiperiodisch. Sie erreicht im zeitlichen Grenzfall jeden beliebigen Punkt der Torus Oberfläche.
Beide Situationen sind für die normierte lineare CM

Gleichung6

dargestellt. Damit im Einheitsintervall bleibt, wird für die Einheitslänge abgezogen. Die Abszisse entspricht , die Ordinate . Die rote Gerade enthält alle Punkte , die obere grüne Gerade die Punkte , die untere . Die Iteration beginnt bei einem Anfangswert . Er wird abgebildet auf den ersten Punkt der oberen grünen Geraden. Dieser Wert ist dann Ausgangspunkt für eine erneute Iteration: er wird durch horizontales Abtragen auf die rote Gerade zum neuen Abszissenwert. Da ist, muss der zweite Iterationswert nach unten abgetragen werden.
Für die lineare CM gilt also: ist rational, so ist die Lösung periodisch, sonst quasiperiodisch. Für die nichtlineare CM ist diese Aussage offenbar nicht mehr gültig: die Abbildung zeigt eine quasiperiodische Lösung, obwohl rational ist.

cmap3 Sine CM K=0.9

Man benötigt eine erweiterte Klassifikation der Bewegungsform durch die mittlere Windungszahl

Gleichung7

W beschreibt die mittlere Zahl von Umläufen pro Iteration. Für die lineare CM gilt wieder

Gleichung8

d.h. trägt man die Windungszahl gegen auf, erhält man eine 45 Grad Gerade. Für ist das nicht mehr der Fall: man erhält eine unregelmäßige Stufenkurve, die sogenannte Teufelstreppe (devils staircase). Je nach der Größe von K, d.h. der Stärke der Nichtlinearität werden die Stufen ausgeprägter. Sie kennzeichnen die stückweise Unabhängigkeit der Windungszahl von der Frequenz (frequency locking). Sie treten auf, wenn W rational ist.

cmap4.eps cmap5.eps
Teufelstreppe für K=1: Frequenzsynchronisation für Die fraktale Struktur der Teufelstreppe wird in der Vergrößerung sichtbar

Ein ähnliches Stufenverhalten findet man immer dann, wenn zwei nichtlineare Oszillatoren gekoppelt sind: die Oszillatoren versuchen sich zu synchronisieren. Ein frühes experimentelles Beispiel geht auf Huygens zurück, der beobachtet hat, wie zwei Uhren, die über ihre Rückwände verbunden waren die Tendenz zeigten, sich zu synchronisieren. Jensen, Bohr und Bak (Bak Physics Today, 39 (1986)) zeigten, dass im Übergang zum chaotischen Lösungsverhalten (hier K=1) gekoppelte Oszillatoren immer den Zustand einnehmen, für den das Frequenzverhältnis rational ist, auch wenn man nur die Frequenz eines Oszillators ändert.
In unserem Fall bedeutet es, dass die Funktion fraktal wird (sie 'rastet' für rationale W ein). Daraus resultiert auch die Bezeichnung Teufelstreppe: die Funktion besteht aus unendlich vielen Stufen bei rationalen W. Die fraktale oder selbstähnliche Struktur erkennt man, wenn man das Bild vergrößert: zwischen je zwei benachbarten Stufen liegen abzählbar unendlich viele Zwischenstufen, entsprechend der Menge der rationalen Zahlen. Die Dimension der fraktalen Funktion beträgt d=0.87.
Für K>1 liefert die CM chaotische Lösungen. Sie sind weder periodisch noch quasiperiodisch sondern gekennzeichnet durch eine starke Abhängigkeit von der Anfangsbedingung der Iteration. Warum ist gerade K=1 der kritische Kontrollparameterwert für einen Übergang von quasiperiodischen zu chaotischen Lösungen? Für K<1 ist

Gleichung9

invertierbar, da monoton wachsend. Für K>1 ändert das Vorzeichen: somit ist die CM nicht mehr invertierbar. Man findet allgemein, dass die Nichtinvertierbarkeit einer eindimensionalen Differenzengleichung eine notwendige Bedingung für die Existenz chaotischer Lösungen ist.


2001-02-22