8.2 Lagrange-Gleichungen

Wir sind jetzt in der Lage das Prinzip der minimalen Wirkung auszuwerten. Mit ist die Lagrangefunktion also abhängig von Ort und Geschwindigkeit aller Teilchen eines Systems von Massenpunkten

 
 

Das Extremalprinzip

(8.2)

erfordert somit eine Lösung ( ), für die gilt

   

Dies sind die Langrange'sche Bewegungsgleichung der Mechanik und wir wollen jetzt zeigen, dass sie äquivalent zu den Newton'schen Bewegungsgleichungen sind. Dazu müssen wir berücksichtigen, dass die Lagrange-Funktion nur für konservative Kräfte formuliert werden kann. Nur wenn (also konservativ ist), lässt sich das Bewegungsproblem durch ein Potential charakterisieren. Das Potential ist aber nur eine Funktion des Ortes. Für einen einzelnen Massenpunkt gilt dann ohne Beschränkung der Allgemeinheit

   

Aus den Lagrange-Gleichungen folgt somit

 
 

unmittelbar die Newton'sche Bewegungsgleichung. Wir können aber noch eine weitere interessante Eigenschaft aus den Langrange-Gleichungen ablesen. Dazu betrachten wir

   

d. h. wir können die Langrange Gleichung in der Form schreiben

   

Ist die Lagrange-Funktion von einer der kartesischen Komponente unabhängig, so folgt daraus sofort, dass der Impuls dieser Komponente eine Erhaltungsgröße ist

konst.    

Man bezeichnet die Koordinate , für die ist als 'zyklische Koordinate'. Sie enthält offenbar eine Symmetrie des Potentials: man nennt das System translationsinvariant in der zyklischen Koordinate. Diese Translantionsinvarianz ist wiederum äquivalent zur Erhaltung des Impulses, welcher der zyklischen Koordinate zugeordnet ist. Diese Äquivalenz zwischen Symmetrien und Erhaltungsgrößen ist ein wesentliches Element der analytischen Mechanik. In seiner verallgemeinerten Form wurde von Emily Noether (1882-1935) bewiesen, dass die Invarianz der Lagrange-Funktion gegenüber Symmetrietransformationen immer die Existenz einer Erhaltungsgröße zur Folge hat. Nun wird man mit Recht behaupten, dass sich der Aufwand zur Ableitung der Lagrange-Gleichung bisher kaum gelohnt habe: solange man sich auf kartesiche Koordinaten beschränkt, hätte man schließlich auch die Newton'sche Bewegungsgleichung diskutieren können. Es ist also an der Zeit, dass wir das Konzept, das hinter dem Hamilton-Prinzip steckt, auf einer verallgemeinerten Basis erweitern.



M. Keim, H.J. Lüdde