Allgemeine Bewegungsgleichungen und Schiefe Ebene
Anselm Proschniewski

Der folgende Artikel richtet sich vor allem an Schüler und Studienanfänger und versucht, relativ kurz die häufigsten Fragen zu den oben genannten Themen zu beantworten. Zum besseren Verständnis empfiehlt sich aber immer das Lesen eines "richtigen" Physikbuches.
 

Übersicht

1.)   Bewegungsgleichungen
1.a) gleichförmig beschleunigte Bewegung
1.b) freier Fall und senkrechter Wurf
1.c) Raketenstart
1.d) Vollbremsung Fahrzeugs

2.)   Schiefe Ebene
2.a) Haften
2.b) Gleiten
2.c) Rollen
2.d) Segelflugzeug im Sinkflug
 

1.) Bewegungsgleichungen

Für das Verständnis dieser Gleichungen sind Grundkenntnisse der Differentialrechnung und Integralrechnung erforderlich, die in der Regel in Klasse 11 durchgenommen werden. Für Schüler, welche die Analysis (auch Infinitesimalrechnung genannt) noch nicht hatten, bleibt leider nur das Auswendiglernen der Formeln. "Verständnis" der Bewegungsgleichungen heißt, Differentialrechnung und Integralrechnung verstehen.
 

1.a) Gleichförmig beschleunigte Bewegung

Eine Bewegung nennt man gleichförmig beschleunigt, wenn die Beschleunigung a (acceleration) konstant ist. Dies ist dann der Fall, wenn die beschleunigende Kraft und die beschleunigte Masse konstant sind.

Es gilt das "Newton'sche" Axiom:

Kraft   =   Masse * Beschleunigung
F          =   m * a

analog gilt:

Gewicht   =   Masse * Erdbeschleunigung
G              =   m * g
Die Beschleunigung a ist gleich x"(t), der zweiten Ableitung des Weges nach der Zeit. x(t) ist die Funktion des Weges, abhängig von der Zeit t.

x"(t)   =   a   =   F / m   =   konstant

Einmaliges integrieren nach der Zeit t liefert die Geschwindigkeit v (velocity):

x'(t)   =   v(t)   =   a * t   +   K1

Nochmaliges Integrieren nach der Zeit liefert den Weg x:

x(t)   =   a/2 * t²   +   K1 * t   +   K2

Die Integrationskonstanten K1 und K2 werden von den Anfangs- bzw. Randbedingungen festgelegt. K1 ist die Anfangsgeschwingigkeit v0, K2 ist die Koordinate des Startortes, z.B die Höhe h.

Die meisten technischen Beschleunigungen, die durch Antriebsmotoren verursacht werden, sind leider nicht "gleichförmig", es gibt aber ein paar Sonderfälle:
 

1. b) Freier Fall und senkrechter Wurf

Beim freien Fall wirkt die Erdbeschleunigung g (im Mittel 9.81 m/s²) nach unten, es ist also:

a   =   -g
v   =   -g * t
x   =   -g/2 * t²   +   h

Mit anderen Anfangsbedingungen bekommt man die Formeln für den senkrechten Wurf. Auch hier wirkt die Erdbeschleunigung, jedoch wirft man vom Boden aus nach oben:

a   =   -g
v   =   -g * t   +   v0
x   =   -g/2 * t²   +   v0 * t
 

1. c) Raketenstart

Weil der Schub eines Raketentriebwerks näherungsweise konstant ist, kann man, wenn man den Massenverlust durch den verbrauchten Treibstoff und den Luftwiderstand außer acht läßt, dies als gleichförmig beschleunigte Bewegung betrachten.

x"(t)   =   a   =   Fschub / m - g

Nur wenn die Schubkraft größer als das Gewicht ist, hebt die Rakete ab.

x'(t)   =   v(t)   =   a * t                     Anfangsgeschwindigkeit ist Null
x(t)    =                 a/2 * t²                 Starthöhe ist Null

Beispiel: Shuttlemasse m = 2041 Tonnen, Schub = 34660 kN (beim Start)

a   =   34 660 000 N / 2 041 000 kg - 9.81 m/s²   =   7.4 m/s²      oder  0.75 g
v   =   7.4 m/s² * t
x   =   3.7 m/s² *

Der Shuttle erreicht nach 44.6 s die Schallgeschwindigkeit (ca. 330 m/s) in einer Höhe von 7.36 km.

Dies sind jedoch theoretische Zahlen. Praktisch kippt man gleich nach dem Start in eine schräge Flugbahn, nach dem Erreichen des Überschallbereiches werden die Triebwerke gedrosselt, weil sonst der Luftwiderstand zu groß wird, außerdem macht sich bald der Masseverlust infolge des verbrauchten Treibstoffs bemerkbar. Die größte Beschleunigung erreicht der Shuttle im Vakuum nach dem Abtrennen des leeren Treibstofftanks (Masse: 104 Tonnen, maximaler Schub: 6530 kN im Orbit).

Die Daten stammen von der NASA.

Man kann auch den Massenverlust durch den Brennstoffverbrauch v,B berücksichtigen, z.B. durch eine lineare Zeitfunktion der Masse M(t):

M(t)   =   M0   -   v,B * t

Dann gilt für die Beschleunigung x"(t):

x"(t)   =   a(t)   =   FSchub / (M0 - v,B * t)   -   g

Nun ist das Integrieren etwas komplizierter, man erhält für die Geschwindigkeit:

x'(t)   =   v(t)   =   - FSchub / v,B   *   ln (1 - v,B/M0 * t)   -   g * t

(Anmerkung: ln steht für "logarithmus naturalis", die natürliche Logarithmusfunktion zur Basis e.)

Nochmaliges integrieren würde den Weg x(t) ergeben, was leider nicht "geschlossen" möglich ist.
 

1.d ) Vollbremsung eines KFZ

Auch Verzögerungsvorgänge, die auf "Coulomb'scher" Reibung (= trockene Reibung) beruhen, können gleichförmig sein, wenn die Normalkraft (z.B das Gewicht) konstant ist und auch der Reibwert my konstant ist. Beim Bremsen eines Fahrzeugs gilt:

FReib   =   m * g * my

x"(t)   =   a   =   -b                 (Bremsverzögerung entgegen der Bewegungsrichtung)
x'(t)   =   -b * t  +  v0
x(t)    =   -b/2 * t² + v0 * t      (Bremsweg)

b   =   F / m   =   g * my konstant, solange my konstant

Beispiel: Ein Fahrzeug hat aus 100 km/h einen Bremsweg x1 von 40 m.
Zum Zeitpunkt t1 steht das Fahrzeug.

v(t1)   =   x'(t1)   =   0   =   -b * t1 + v0

Daraus folgt:      t=  v0 / b
Eingesetzt in die Gleichung für x1 :

x1   =   x(t1)   =   - b/2 * (v0 / b)² + v0 * v0 / b   =   v0² / (2*b)

Nach b freigestellt:      b = v0² / 2 / x1

Mit Zahlen:      b  =   27.78 m²/s² / 2 / 40 m   =   9.645 m/s²
Reibwert:         my=   b / g   =   0.98

Dabei handelt es sich natürlich um Mittelwerte. Kürzere Bremswege sind nur erreichbar, wenn der Reibwert my größer als 1 wird, wobei man an technische Grenzen stößt (Gummimischung). Leider gilt für LKWs diese Formel nur für ganz kurze Bremsvorgänge. Bei einer längeren Bremsung eines voll beladenen LKW erhitzt sich die Lauffläche des Reifens, sie schmilzt, der Reibwert nimmt ab, der Reifen wird "abrasiert", so daß man nicht mehr von "trockener" Reibung sprechen kann.
 
 

2.) Schiefe Ebene

Immer wieder tauchen in der NG de.sci.physik Fragen und Aufgabenstellungen auf, die sich mit der schiefen Ebene befassen. Deshalb hier kurz ein paar Zusammenhänge.
 

2.a) Haften

Ein Körper ruht an der schiefen Ebene, wenn die "Haftkraft" genauso groß wie die Hangabtriebskraft ist. Das Kräftedreieck aus Gewicht, Normalkraft und Haftkraft ist geschlossen.

Hangabtriebskraft:      FHA   =   G * sin alpha
Normalkraft:               FN        =   G * cos alpha
Haftkraft:                    FH        =   FHA     <   FN* myH           mit myH , dem "Haftbeiwert"

Eingesetzt ergibt sich:

G * sin alpha  <    G * cos alpha * myH
myH      >    tan alpha

Im Klartext bedeutet dies, daß das myH der Schuhe des Dachdeckers größer sein muß als der Tangens des Dachwinkels, sonst rutscht der Mann ab und fällt hinunter  :-((
 

2.b) Gleiten

Kommt der Körper ins Rutschen, dann ändern sich die Bedingungen. Es gibt kein geschlossenes Krafteck, die Hangabtriebskraft ist größer als die Reibkraft. Die Differenz zwischen beiden Kräften wird dazu verwendet, den Körper zu beschleunigen.

Hangabtriebskraft:    FHA   >   FReib
Reibkraft:                  Freib    =  FN* myR              mit myR , dem "Reibbeiwert"

Der Reibbeiwert myR ist in der Regel kleiner als der Haftbeiwert myH , d.h. ein Körper, der erst einmal rutscht, bleibt nicht liegen, sondern wird immer schneller.

Es ergibt sich eine gleichförmig beschleunigte Bewegung infolge der Kräftedifferenz:

FHA - FReib    =   m * g * sin alpha   -   m * g * cos alpha * myR

Newtons Axiom liefert:

x"(t)   =   a   =   F / m   =   g * (sin alpha - myR * cos alpha)

Integrieren wie gehabt:

x'(t)   =   v(t)   =   a * t   +   v0
x(t)    =   a/2 * t²   +   v0 * t   +   x0
 

2.c) Rollen

Eine interessante Aufgabe ist das Rollen eines runden Körpers die schiefe Ebene hinunter. Dabei handelt es sich eigentlich um zwei verschiedene Bewegungen: eine Translation und eine Rotation, welche beide gekoppelt sind. Für diese Kopplung ist Reibung verantwortlich, die aber in der Regel so gering ist, daß sie für die weitere Rechnung vernachlässigt werden kann.
Newtons Axiom für die Translation:

F  =   m * a

dto. für die Rotation:

M      =   Theta* omega'                      (Moment = Massenträgheitsmoment * Winkelbeschleunigung)
M / r =   Theta * omega' / r   =   F   (einfach durch r dividiert)

Für einen runden Körper gilt:

M   =   F * r
x     =   phi * r
x'    =   phi' * r   =   omega * r
x"    =   phi" * r   =   omega' * r

Die Hangabtriebskraft muß den Körper sowohl in translatorische Richtung beschleunigen als auch in Rotation versetzen. Deshalb muß man die beiden Kraftanteile, welche die Beschleunigung hervorrufen, addieren:

F   =   F1  +  F2   =   m * a   +   Theta* omega' / r

Eingesetzt wird:      omega'  =  a / r

F   =   m * a  +  Theta * a / r²   =   a * (m + Theta / r²)

Der Klammerausdruck ist eine Ersatzmasse, die man z.B. mit "m,g" abkürzen kann (generalisierte Masse). Dann hat man eine ganz normale gleichförmig beschleunigte Bewegung:

F   =   a * m,g

m,g   =   7/5 * m         (Kugel) wegen    Theta = 2/5 m *
m,g   =   3/2 * m         (Rolle, massiv) wegen    Theta = 1/2 m *
m,g   =   2 * m            (Rolle, dünnwandig) wegen    Theta = m *

Als beschleunigende Kraft wirkt die Hangabtriebskraft:

FHA    =   m * g * sin alpha

Gleichsetzen liefert:

a * m,g   =   m * g * sin alpha

Daraus folgt die Beschleunigung a  =  x"(t) :

a   =   m/m,g * g * sin alpha

a   =   5/7 * g * sin alpha    (Kugel)
a   =   2/3 * g * sin alpha    (Rolle, massiv)
a   =   1/2 * g * sin alpha    (Rolle, dünnwandig)

x'(t)   =   v(t)   =   a * t   +   v0
x(t)    =   a/2 * t²   +   v0 * t   +   x0

Sonderfall: Für alpha = 90 Grad wird sin alpha = 1, es folgen die Gleichungen für einen Jojo (feste Kopplung von Translation und Rotation durch die Schnur). Kleine Abweichung: wenn die Schnur sich auf- bzw. abwickelt, verändert sich der Radius r ein wenig.
 

2.d) Segelflugzeug im konstanten Sinkflug

Wenn auch auf den ersten Blick diese Problem nichts mit einer schiefen Ebene zu tun hat, es gelten jedoch nahezu die selben Formeln.

Segelflugzeuge können nur geradeaus fliegen, wenn sie dabei langsamer werden, wobei ihre kinetische Energie in Reibungsenergie umgesetzt wird. Fliegen sie mit konstanter Geschwindigkeit, dann "gleiten" sie immer abwärts, natürlich auf die sie umgebende Luft bezogen. Sie "rutschen" quasi eine schiefe Ebene hinunter, werden durch ihr eigenes Gewicht angetrieben und durch den Luftwiderstand gebremst.

Einen solchen Zustand konstanter Geschwindigkeit, bei dem das Flugzeug nicht beschleunigt wird, nennt man "stationär". Es gelten im Wesentlichen die Gesetze der Statik, ähnlich wie beim Körper an der schiefen Ebene.

Das Gewicht wirkt nach unten, der Luftwiderstand wirkt schräg entgegen der Flugrichtung, und der Auftrieb wirkt senkrecht dazu. Er trägt im wesentlichen das Gewicht des Flugzeugs. Das Kräftedreieck ist geschlossen, der Luftwiderstand ist der Hangantriebskraft entgegengesetzt, der Auftrieb entspricht der Normalkraft.

Luftwiderstand:      FW   =   rho / 2 * cW * A * c²   =   m * g * sin alpha    (Hangabtriebskraft)
mit dem dimensionslosen Luftwiderstandsbeiwert "cW"

Auftrieb:                 FA   =   rho / 2 * cA * A * c²   =   m * g * cos alpha   (Normalkraft)
analog mit dem ebenfalls dimensionslosen Auftriebsbeiwert "cA"

(rho ist die Luftdichte, A die Querschnittsfläche, c die Fluggeschwindigkeit)

Gleitwinkel:      tan alpha=   FW / FA   =   cW / cA
Gleitzahl:           n   =   1 / tan alpha   =  cA / cW

Interessanterweise ist die Gleitzahl n und damit die Reichweite des Segelflugzeugs aus einer bestimmten Höhe nur abhängig von den beiden Beiwerten cA und cW , die im wesentlichen vom Flügelprofil abhängen. Größe, Gewicht, Spannweite, etc. gehen in die Rechnung zunächst gar nicht ein.

Die Beiwerte cA und cW hängen allerdings auf etwas kompliziertere Weise vom Anstellwinkel und damit von der Fluggeschwindigkeit ab. Es gibt ein Optimum, d.h. ein Flugzustand, bei dem die Gleitzahl n ein Maximum erreicht, er wird "bestes Gleiten" genannt.

Die Geschwindigkeit folgt aus der Formel für den Luftwiderstand:

c    =    sqrt ( m * g * sin alpha / (rho / 2 * cW * A))

(Anmerkung: sqrt steht für "square root", die Quadratwurzelfunktion)

Je mehr Masse, desto schneller fliegt das Flugzeug, weshalb gute Segelflieger extra Wasserballast mitnehmen ! !

Es bleibt noch die Frage, wie Segelflugzeuge überhaupt "oben bleiben"   -   die Antwort ist einfach: es gibt verschiedene Aufwinde (Hangaufwind, Thermik, "Welle"), die schneller steigen als das Flugzeug sinkt und so kommen Segelflugzeuge unter günstigen Bedingungen nach einer Starthilfe (Winde oder Flugzeugschlepp) auch alleine nach oben, ohne Motor, nur mit Sonnenenergie ;-)
 

Anselm Proschniewski     (Dipl.-Ing. Maschinenbau)
Stuttgart, den 27.03.2000

Verbesserungsvorschläge und Kritik bitte an:     Anselm.Proschniewski@DaimlerCrysler.com