Unter großem Druck: Die amerikanische Zentralbank Federal Reserve
11. August 2011 2011-08-11 07:16:52
Für 35 Monate, vom Dezember 2001 bis zum November 2004, hielt die amerikanische Zentralbank Federal Reserve ihren Leitzins bei weniger als 2 und für ein Jahr bei 1 Prozent. Vorsitzender der Fed war Alan Greenspan, der damals gefeierte und mittlerweile entzauberte Maestro der Geldpolitik. Ein ehemaliger Bundesbankpräsident hat zu dieser Episode der Niedrigzinspolitik mit sichtlicher Empörung einmal angemerkt, mit der Deutschen Bundesbank wäre so etwas nie passiert. Diese Zeiten grundsolider Geldpolitik sind lange passé, diesseits und jenseits des Atlantiks. Heute hält die Federal Reserve den Leitzins schon seit 32 Monaten nicht nur unter 2 Prozent, sondern nahe Null Prozent. Der Fed-Vorsitzende Ben Bernanke hat gerade zugesichert, für mindestens weitere 24 Monate werde es keine Änderung geben. So reagiert eine Zentralbank, die in eine Falle getappt ist.
Für sich genommen ist das Versprechen des Offenmarktausschusses pure Idiotie. Kein Ökonom und kein Zentralbanker kann guten Gewissens so weit in die Zukunft schauen, um die angemessene Geldpolitik auch nur in einem Jahr, geschweige denn in zwei Jahren mit einiger Gewissheit beurteilen zu können. Das ist ein Grund für die sehr seltene Ablehnung des Beschlusses von gleich drei Dissidenten im Offenmarktausschuss, die eine zeitliche Festlegung nicht wollten. Sie sind zudem besorgt, dass sehr lockere Geldpolitik die Inflation treiben wird und sich die Hoffnung der Federal Reserve auf ein Nachlassen des Preisdrucks nicht erfüllt.
Wie in der Europäischen Zentralbank spalten sich die geldpolitischen Räte, je absonderlicher die Geldpolitik wird. Bernanke hat sich natürlich eine Hintertür offengehalten. Die Zusage der zweijährigen Nullzinspolitik ist eine Momentaufnahme der derzeitigen Erwartungen und kann jederzeit geändert werden. Das aber wird der Fed schwer fallen, wenn die Finanzmärkte das Versprechen erst einmal voll verarbeitet haben.
Die lang andauernde Nullzinspolitik birgt große Risiken. Sie behindert die Geldmärkte, sie behindert das Sparen und die Kreditmärkte. In Kombination mit regulatorischer Nachsicht führt sie dazu, dass ganze Märkte einfrieren. Zu besichtigen ist das in Japan. Wenn Banken faule Kredite oder Hypotheken zum Niedrig- oder Nullzinssatz finanzieren können, anstatt ihre Verluste zu realisieren, und wenn verschreckte Aufseher großzügig über diese Schwachstellen in den Bilanzen hinwegsehen, bleiben die schmerzhaften, aber notwendigen Korrekturen nach dem Platzen einer Preisblase aus. Das ist der wichtigste Grund für den zwanzig Jahre währenden Verfall der Immobilienpreise in Japan. Die Vereinigten Staaten sind mit ihren notleidenden Hypotheken auf dem besten Wege, diese Entwicklung nachzuzeichnen. Die Notenbank leistet dem mit ihrer Nullzinspolitik Vorschub und deckt die Probleme zugleich zu.
Dem ausgezeichneten Ökonomen Bernanke sind diese Risiken bekannt. Sein Versprechen der jahrelangen Nullzinspolitik gründet nicht nur in einem wolkenverhangenen, sondern in einem abgrundtief dunklen Bild der amerikanischen Konjunktur, das freilich außerhalb der Fed nicht von allen Volkswirten geteilt wird. Implizit erwartet die Mehrheit im Fed-Offenmarktausschuss, dass die Wirtschaft der Vereinigten Staaten bis mindestens 2013 weit unter ihren Möglichkeiten wachsen wird.
Die Grube, in welche die Fed damit fällt, hat sie sich zum Teil selbst gegraben. In der zögerlichen konjunkturellen Erholung seit 2009 versäumte die Zentralbank, den Leitzins moderat auf etwa 1 Prozent anzuheben. Das hätte die Wirtschaft immer noch deutlich gestützt und der Fed jetzt den Spielraum verschafft, auf die drohende weitere Abschwächung der Konjunktur zu reagieren. Doch sie versuchte sich lieber an einem zweiten Großeinkauf von Staatsanleihen. Das hat der Wirtschaft offensichtlich wenig gebracht.
Nun steuert die Fed auf eine dritte Runde der quantitativen Lockerung zu, wie der Offenmarktausschuss es in seiner Erklärung andeutet. Bernanke scheint willens, die abweichenden Meinungen der drei Dissidenten weiter zu überstimmen. Diese Aussicht, nicht das Zinsversprechen des Vorsitzenden, hat die Aktienhändler an der Wall Street jubilieren lassen. Wenn die Federal Reserve Glück hat, kommt sie jedoch an einem weiteren Ankauf von Staatsanleihen vorbei, falls die Wirtschaft sich im zweiten Halbjahr wieder einigermaßen fängt. Diese Erwartung ist trotz aller Hysterie an den Aktienmärkten gut zu begründen.
Es stimmt schon, dass die amerikanische Zentralbank unter großem Druck steht, weil die Finanzpolitik in Washington im festgefahrenen Parteienstreit ihrer Aufgabe der Haushaltssanierung nicht nachkommt und die Regierung die Hypothekenkrise schleifen lässt. An eine wünschenswerte Steuerreform ist bis nach der Präsidentenwahl Ende 2012 erst gar nicht zu denken. All das lähmt die Verbraucher und Unternehmen, es vertieft und verlängert die Wirtschaftskrise. Für eine unabhängige Zentralbank ist das aber noch lange kein Grund, sich geldpolitisch in die Ecke drängen zu lassen. Doch ihr Glaube an einen aufgeklärten Keynesianismus hindert die Mehrheit im Offenmarktausschuss, dagegen anzugehen.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: AFP
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