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EZB-Präsident Jean-Claude Trichet ist immer für überraschende Maßnahmen gut
08. August 2011 2011-08-08 07:41:00
Die Europäische Zentralbank gerät mit dem neuerlichen Kauf von Anleihen finanzschwacher Euroländer in Erklärungsnot. Nach eigener Darstellung dient der Erwerb von Anleihen finanzschwacher Euroländer ausschließlich dazu, die Wirkung der Geldpolitik in der Krise sicherzustellen. Die nun in Aussicht gestellte Ausweitung der Käufe auf italienische Anleihen und die Argumentation der EZB offenbaren jedoch, dass die Käufe in Wirklichkeit darauf zielen, die Finanzierungsbedingungen der Krisenstaaten zu stabilisieren. Das bringt die EZB in die Nähe der indirekten Staatsfinanzierung, argwöhnen Kritiker innerhalb der Bank.
Am Donnerstag vergangener Woche hatte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet mit der Wiederaufnahme der Käufe nach einer viermonatigen Pause überrascht. Das führte jedoch nicht zu der erhofften Stabilisierung der Märkte. Denn die EZB kaufte am Donnerstag und Freitag nur Anleihen Irlands und Portugals, noch nicht aber solche aus Italien und Spanien, deren Staatsfinanzen in den vergangenen Tagen in den Mittelpunkt der Krise gerückt waren. Verunsichernd wirkte zudem, dass sogleich bekannt wurde, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann und drei weitere Mitglieder des Rats gegen den Beschluss stimmten. Im Umfeld der Bundesbank wurde die Ablehnung der Anleihekäufe am Sonntag bekräftigt. Kritiker wiesen darauf hin, dass Italien in den fünf Jahren vor der Währungsunion für Schuldzinsen im Durchschnitt mehr als 7 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aufbringen musste. Heute liege die Zinslastquote bei etwa 5 Prozent.
Fachleute kritisierten, dass die EZB, wenn sie schon eingreife, das dann richtig tun und im Krisenherd beginnen müsse. Zudem werde die Argumentation ad absurdum geführt, mit dem Anleihekauf müsse der Wirkungsmechanismus der Geldpolitik gesichert werden. Wenn dies das Motiv sei, dann hätte die EZB auch in den vergangenen vier Monaten mit ebenso guten Gründen irische und portugiesische Anleihen kaufen müssen.
Selbst Gegner des Kaufprogramms innerhalb der EZB räumen ein, dass man in begrenztem Umfang Anleihekäufe rechtfertigen könne, wenn zum Beispiel die Kreditversorgung von soliden Unternehmen gefährdet sei, weil auf illiquiden Märkten die Risikoprämien für Staatsanleihen aus dem Ruder laufen. Denn diese seien der Maßstab für die Kosten der Unternehmensfinanzierung. Doch dann müsse man diese Lage erläutern und das eigene Argument auch ernst nehmen, hieß es am Sonntag aus dem Umfeld der Zentralbank. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat jedoch weder bei der Einführung des Kaufprogramms im Mai 2010 – seitdem wurden Anleihen für gut 77 Milliarden Euro gekauft – noch am Donnerstag bei der Wiederaufnahme erläutert, an welcher Stelle der geldpolitische Transmissionsmechanismus gestört ist und warum er glaubt, dass die Käufe die Störung beheben können. Zudem kündigte er an, die EZB könne sich aus dem Programm zurückziehen, wenn der europäische Rettungsfonds wie von der Politik angekündigt in die Lage versetzt ist, Anleihen zu kaufen. Das passe aber nicht zu Trichets Argumentation, sagen nun Kritiker Trichets. Sei die Sicherung des „geldpolitischen Transmissionsmechanismus“ das Motiv, dann müsse die EZB auch künftig kaufen, wenn dieser Mechanismus gestört sei – auch dann, wenn der EFSF auf dem Markt aktiv sei.
Auch die am Freitagabend gestreuten Hinweise, die EZB könne die Käufe auf italienische Titel ausweiten, wenn Italien seine Anstrengungen für die Sanierung der Staatsfinanzen verstärke, offenbart die wahren Gründe für die Anleihekäufe. Wenn die EZB in dieser Woche mit dem Kauf von italienischen Anleihen beginnt, kann sie das kaum noch mit der gestörten Wirkung der Geldpolitik erklären. Denn die war am Donnerstag und Freitag sicher nicht weniger in Gefahr. Und Italiens nachgebesserter Sanierungsplan dürfte über das Wochenende eher zur Beruhigung beitragen und ist deshalb – in der offiziellen Argumentation der EZB – gerade nicht geeignet, umfangreichere Anleihekäufe zu rechtfertigen.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: dapd
Kommentar: Tiefer Kratzer im
Europäische Zentralbank: Im Dienst der Politik
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